Prof. Dr. Janna Hohn
in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. habil. Fabian Thiel und Prof. Dr. Stefan Pützenbacher,
Frankfurt University of Applied Sciences
Die Kreativwirtschaft dient als Motor für die Stadt- und Quartiersentwicklung und kann ganz gezielt zur Modernisierung und Aufwertung von Stadtteilen oder Gewerbegebieten eingesetzt werden. Die Struktur unserer Städte wird durch Raum- und Clusterbildung der Kreativwirtschaft geprägt. Kreativräume wirken als Katalysatoren einer soziokulturellen Entwicklung auf Quartiersebene. Sie unterstützen die funktionale und soziale Vielfalt in den Städten und tragen somit erheblich zur Förderung der Lebensqualität bei. Es entstehen belebte Stadträume, die sich durch ihre kleinteilige Nutzungsmischung auszeichnen. Durch den aktuellen Entwicklungsdruck sind jedoch Teile der kulturellen und kreativen Diversität unserer Städte gefährdet.
Möglichkeitsräume sind eine Grundvoraussetzung für den Erfolg von Kreativschaffenden!
Der Entstehungsprozess von Kreativräumen verläuft meist sehr dynamisch und lässt sich in der Regel nur bedingt planen. Aneignungsfähige Flächen und Räumlichkeiten (Möglichkeitsräume), die temporäre Nutzungen ermöglichen, begünstigen jedoch die Aktivität von Kreativen und Kulturschaffenden. Besonders in der Initialphase und beim künstlerischen Schaffen sind relativ günstige Mietpreise eine Grundvoraussetzung. Verfügbarer Raum ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Kreativwirtschaft. Kreative und Kulturschaffende bevorzugen als Standorte gewachsene Strukturen in zentralen stadträumlichen Lagen, umgeben von anderen Kreativschaffenden. Besonders gemischte Quartiere mit vielfältigen Synergieeffekten zu vorhandenen Nutzungen oder Gleichgesinnten wirken anziehend auf viele Branchen beziehungsweise Teilmärkte der Kreativwirtschaft.
Die Raumsituation für Kreativschaffende in Frankfurt ist angespannt!
Frankfurt ist eine der am schnellsten wachsenden Städte Deutschlands. Die Reurbanisierung und das damit verbundene Stadtwachstum führen zu Flächenkonkurrenzen und Verdrängungsdruck. Da der gesamtstädtische Immobilienmarkt sehr angespannt ist, liegt das Preisniveau für Räumlichkeiten oft außerhalb des Bereichs, der durch Kultur- und Kreativschaffende bezahlt werden kann. Der Raumbedarf Kultur- und Kreativschaffender übersteigt das vorhandene Angebot. Oder, andersherum: In Frankfurt gibt es einen Mangel an entsprechenden Freiräumen, Brachflächen und Experimentierfeldern, so dass sich die Entwicklung von Kreativräumen nicht (mehr) selbst reguliert. Die Gefahr besteht, dass Kreative Frankfurt verlassen – abwandern in Städte mit vermeintlich besseren Ausgangsbedingungen, niedrigeren Lebenskosten und geringeren Mieten. Schlussfolgerung: Die Rahmenbedingungen müssen gut genug sein, um die Kreativen in der Stadt zu halten.
Wie können wir bestehende Kreativräume sichern und neue entwickeln?
Für den Erfolg der Kreativwirtschaft in Frankfurt müssen vorhandene räumliche Cluster gesichert und gestärkt werden. Dazu gehören sowohl innerstädtische Lagen wie das Bahnhofsviertel als auch Stadtrandlagen wie der Frankfurter Osten und einzelne periphere Standorte wie das Gewerbegebiet Fechenheim-Nord/Seckbach. Besonders vorhandene Standorte, an denen Kreative aktiv sind, wie die Basis Frankfurt, die Naxoshalle oder die Honsellbrücke, müssen langfristig planerisch gesichert werden. Einige vergleichbare Orte und Räume sind in den letzten Jahren aufgrund des hohen Investitionsdrucks bereits verloren gegangen. Neben der Sicherung von bestehenden Orten müssen Potenzialräume wie das Milchsackgelände oder das Gas-Werk-Ost-Areal aufgezeigt und in der strategischen Planung verankert werden. Die historische Bausubstanz muss erhalten und für Kreative und urbane Produktion zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit neue städtische Kreativräume entwickelt werden können. Die Kreativwirtschaft muss eine höhere Wertschätzung in der räumlichen Planung erhalten.
Welche Unterstützung gibt es für Kreativschaffende bei der Raumsuche?
Die Kreativwirtschaft in Frankfurt ist eng mit der städtischen Leerstandsagentur RADAR verbunden, die an der Schnittstelle von Stadt, Kultur und Wirtschaft arbeitet. RADAR besetzt eine Netzwerkfunktion innerhalb des Kultur- und Kreativbereichs und vermittelt seit fast zehn Jahren erfolgreich zwischen Raum suchenden Kreativen und Immobilieneigentümern, um wirtschaftliche, städtebauliche und kulturelle Vielfalt zu fördern.
Neben der Vermittlung von Räumen wurden auch Initiativen gestartet wie der Höchster Designparcours oder das Projekt „Quartier machen“ in Fechenheim. Finanzielle Unterstützung beim Umbau geeigneter Räumlichkeiten wird über das Frankfurter Programm zur Förderung des Umbaus leer stehender Räume für Kreative (bis 150 m2) bereitgestellt. Die Arbeit von RADAR und den angeschlossenen Förderprogrammen soll dazu beitragen, die Abwanderung von Kreativen zu verhindern. Wie können diese bereits vorhandenen Instrumente weiter ausgebaut werden?
Wird es neue Flächenpotenziale als Folge struktureller Veränderungen durch Covid-19 geben?
Die Corona-Krise wird die Raumsituation für Kreativschaffende beeinflussen. Bereits jetzt wird deutlich, dass in Zukunft mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten werden und somit auch weniger Mietflächen benötigt werden. Die Leerstandsquote in Frankfurt, besonders von Büroflächen, hat seit März 2020 deutlich zugenommen. Leer stehende Büroflächen könnten in Zukunft Möglichkeitsräume für Kreativschaffende werden, zum Bespiel in Form von Co-Working-Büros. Aber auch Gewerbeflächen in innerstädtischen Einkaufsstraßen wie der Frankfurter Zeil könnten mit der Kreativwirtschaft als Impulsgeber neu programmiert werden. Kreativ- und Kulturnutzungen könnten aktiv in den Erdgeschosszonen verortet werden, um eine Belebung des Straßenraums zu initiieren. Zu diesem Zeitpunkt ist es noch nicht absehbar, wie genau diese Veränderungen aussehen werden. Genauere Untersuchungen bezüglich neuer Flächenpotenziale werden notwendig sein.